Vortrag über das „Parabelfenster“ von Elfriede Fulda
in der Christuskirche zu Rösrath-Forsbach
Anlässlich des Pfarrgemeindefestes am 20.07.2003 in Anwesenheit der Künstlerin.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe jugendliche Zuhörer!
Elfriede Fulda blickt zurück auf eine Schaffensperiode von über 60 Jahren.
Ihr Oeuvre ist sehr umfangreich: Eine Fülle von Zeichnungen, Pastellen, Aquarellen und Arbeiten in anderen diversen Techniken.
Sehr viele Arbeiten haben Liebhaber gefunden und sind in öffentliche und private Sammlungen eingegangen.
Die farbigen Glasfenster stellen in dem Lebenswerk der 82-jährigen Künstlerin eine einzelne Facette dar.
Neben der Tür zur Sakristei ist ein großer Rahmen mit Fotographien von einigen der Fulda´schen Kirchenfenster in und um Köln zu sehen, dabei auch das Foto eines von ihr entworfenen Wandteppichs, der ebenfalls die Strukturen eines Kirchenfensters aufweist.
Das Forsbacher Fulda-Fenster ist m.W. das erste von Frau Fulda gestaltete
Kirchenfenster im Raum Köln, es ist das farbenreichste und dunkelste von allen.
Das evangelische Landeskirchenamt in Düsseldorf hat übrigens von den drei im Jahre 1958 eingereichten Entwürfen für das Parabelfenster in Forsbach den von Elfriede Fulda für den am wenigsten geeigneten gehalten.
Zudem wurde bemängelt, dass der untere Teil des bis zum Boden reichenden Fensters zu einem großen Teil durch den Altar verdeckt wird.
Ein Vorrücken des Altars in Richtung zur Gemeinde bis vor die Stufe der Altarempore würde das Fenster eher voll sichtbar machen.
Es ist dem mutigen Entschluß des damaligen Presbyteriums und des Pfarrers
Gundlach zu danken, dass der Entwurf von Frau Fulda – der Originalentwurf ist wiedergefunden und heute hier zu sehen – realisiert worden ist.
Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete am 21.01.1960:
„Ein Schmuckstück der Kirche
Altarfenster aus Antikglas wurde angebracht
Seit einigen Wochen besitzt die Kirche der neugegründeten evangelischen Gemeinde ihr erstes Schmuckstück: ein Altarfenster, das dem Innenraum erst die rechte Gestaltung gibt. Durch einen Test in der Gemeinde und durch maßgebende kirchenbehördliche Ausschüsse wurde das aus Antikglas gefertigte Kunstwerk unter den Vorentwürfen gewählt.
Ähnlich wie beim Bau der Kirche selbst, ging es nicht um Rang und Namen, sondern um das Risiko, Kräften im eigenen Raum Gelegenheit zur Entfaltung zu geben, wobei natürlich nicht nur der Idealismus allein, sondern auch die knappen finanziellen Mittel eine Rolle spielen. Nach zwei Jahren ist es nun soweit, dass jedem die Gelegenheit gegeben ist, dieses schöne Fenster zu beurteilen.
Ein Foto (Schwarz-Weiß-Abbildung in der Zeitung) kann natürlich die Farbwirkung des Kunstwerkes nicht wiedergeben, und auf diese Wirkung kommt es betont an. Die figürlichen Darstellungen treten hinter dem hellen, alles beherrschenden Kreuz zurück. Erst nach einigem Verweilen erkennt das Auge Symbole der Anbetung (Figur), aber auch des Kampfes um die Vernichtung des Bösen (schlangentötender Phönix).
Auch den Geschöpfen Gottes ist in dem Fenster Raum gegeben. Und was liegt in einem Walddorf wie Forsbach näher, als den Wald und seine scheuen Bewohner (Hirsch, Hase, Fasan) anzudeuten.
Die Farben, ihr Glanz und ihre Tiefe machen das Kunstwerk aus, das Frau Elfriede Fulda (Köln), die bisher mit ihren Fenstern im süddeutschen Raum bekannt war, zu verdanken ist. Er wurde von der Glasmalerei Dr. Reuter & Co. (Köln) mit 24 qm Antikglas hergestellt. Das Fenster, eine Stiftung des Kirchenkreises Köln anlässlich der Einweihung der Kirche, kostet 7000 DM.
Weitere 72 qm Seitenfenster sind noch notwendig und warten auf Mithilfe zur Fertigstellung.“
Die Rahmenkontur der Parabel für das Ostfenster hinter dem Altar war durch den Architekten der Kirche (Welsch) vorgegeben.
Unten links steht im Glasfenster geschrieben:
INV E. FULDA (entworfen von E. Fulda)
FEC REUTER, KÖLN 195 (Ausführung Reuter, Köln 1959)
Frau Fulda hat mit der Darstellung verschiedener Tiere und der Verwendung bestimmter Farben bewusst an eine alte christliche Tradition der mittelalterlichen christlichen Ikonographie angeschlossen.
Nicht nur im Christentum, sondern auch in anderen Kulturen der Welt, haben einige Tiere eine bestimmte Symbolbedeutung, die dem Volk, das ja im Mittelalter durchweg des Lesens und Schreibens nicht kundig war, bekannt war.
Wer die Kathedrale von Chartres einmal besucht hat, weiß, dass das Innere der Kirche sehr dunkel ist. Man benötigt eine Zeit von 20 – 30 Minuten, um seine Augen an dieses Licht zu adaptieren. Erst dann erkennt man die Details der wunderbaren Fenster dieser Kirche. Man muss sich ausmalen, dass die Wallfahrer in Chartres oft etliche Tage verweilten und so in Bildern und Zeichen der Fenster die Ereignisse der Heiligen Schrift lesen konnten.
So haben auch die Figuren des Forsbacher Parabelfensters ihre Bedeutungen.
Links unten ist ein Fuchs dargestellt. Er zeigt das Rostrot der Satanstiere, er ist ein Symbol des Bösen, der Verschlagenheit, der List. Wir kennen den Ausdruck „fuchsteufelswild“. In einer berühmten Dürerzeichnung (die „Madonna mit den vielen Tieren“) ist der Fuchs an einem Vorderlauf an eine Kette gelegt: Das Böse ist gebändigt, beherrschbar geworden. Man meint, auch hier in den Bleistrukturen derartige Fesseln zu erkennen.
Daneben ein Pfau: Der Pfau ist ein Symbol der Unsterblichkeit, der Wiederauferstehung. Seine schönen Federn erinnern an den gestirnten Himmel, verliert er eine Feder, so wächst diese wieder nach. Die Cherubim wurden mit vier Pfauenfedern-Schwingen dargestellt.
Der Hase: Schon im alten Ägypten als göttliches Wesen verehrt wegen seiner Wachsamkeit, seiner Schnelligkeit, seiner Geschicklichkeit. Man denke an das berühmte Hasenfenster im Kreuzgang des Paderborner Domes als symbolische Darstellung der göttlichen Dreifaltigkeit.
Die Hirschkuh (Hindin), die hier an ein Reh erinnert, lässt an den Psalm 42 denken: „Wie die Hindin lechzt nach den Wasserbächen, so dürstet meine Seele nach Dir o Herr!“ – Wasser, Gnade der Taufe, Erlösung.
Rechts unten ein Affe, auch er in der Satansfarbe, als Symbol der Unbeständigkeit, der Unkeuschheit, des Geizes. Er liegt an einer Kette, die an die linke Hand gelegt ist: Auch hier das gebändigte Böse.
Im unteren Drittel links ein Fisch, in dem zwei weitere Fische enthalten sind:
Symbol der göttlichen Trinität, zudem gekennzeichnet durch dunkles Rot (Gott Vater), Gelb (Heiliger Geist) und Blau (Christus).
Der Fisch: das Geheimzeichen der frühen Christen. Das griechische Wort für Fisch heißt ICHTHYS und enthält somit die Anfangsbuchstaben für das griechische IESOUS CHRISTOS THEOU YIOS (Jesus Christus, Sohn Gottes).
Sie sehen heute häufig das Fischzeichen an der Rückseite von Autos als Hinweis: Ich bin bekennender Christ. Bei Lebensgefahr infolge eines Unfalls wünsche ich christlichen Beistand.
Rechts im Bild die Gestalt eines bärtigen Mannes in grauem Gewand, Grau, Farbe der Buße. Ein Prophet? Johannes der Täufer? Die Hände betend erhoben,
hinweisend auf ein Christussymbol: ein schwebender Vogel, der mit seinem erhobenen Schnabel eine Schlange ergreift. Vögel, die Schlangen fressen (Bekassine, Schnepfe, Reiher, Kranich) galten als Symbol für Christus, der das Böse besiegt, die teuflische Schlange vernichtet.
Ganz oben vom Scheitelpunkt der Parabel schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes herab. Im Vergleich zum Entwurf ist sie in der Glasgestaltung markanter und stilisierter dargestellt. In den Schwanzfedern zeigen die Strichkonturen die Zahl drei, in den Schwingenfedern die Zahl vier
(Trinität, vier Evangelien) an.
Unter der Taube der Regenbogen als Zeichen des Friedensschlusses Gottes mit den Menschen nach der Sintflut.
Beherrscht wird das ganze Fenster durch das schlanke Kreuz in strahlendem Weiß: Farbe der Wahrheit und der Ewigkeit. Symbol des aufrechtstehenden Menschen und des Menschensohnes, der seine Arme ausbreitet mit dem Versprechen des Friedens, der Rettung, der Wärme. Die Sonne dahinter in leuchtendem, warmem Gelb: Das Zentrum des Kreises der Sonne identisch
mit dem Schnittpunkt der Kreuzesarme und dem Brennpunkt der Parabel.
Christus, der Spender des ewigen Lebens.
Mit Phantasie kann man in dem Feld, in dem die Taube schwebt, einen horizontal liegenden Halbmond sehen. Wie zahlreiche Hell – Dunkel – Gegensätze im Bild des großen Fensters wäre auch damit ein Kontrastsymbol Tag – Nacht zu sehen. So wie auch die Schlange nicht nur Symbol des Bösen sein muß: Sie kann auch als ein Symbol der Wiedergeburt gesehen werden (die Schlange, die sich häutet), ein Symbol der Klugheit, der Sprachgewandtheit.
Auch das Weiß kann eine konträre Bedeutung haben. Farbe der Trauer (Maria unter dem Gekreuzigten des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald trägt ein leuchtend weißes Gewand). Zugleich aber auch Farbe der geläuterten Toten: Die Seligen sind in weiße Gewänder gehüllt.
Der Priester der katholischen Kirche trägt die Alba, das weiße Hemdgewand:
Zeichen der Reinheit des Verkünders der Lehre.
Mit den kräftigen Linien der Bleiverglasung hat Elfriede Fulda dem Fenster eine große Dynamik gegeben: Von links unten nach rechts oben bewegt sich der Schwung einer großen Spirale, die in den ruhigen Kreis der Sonne unter dem Regenbogen übergeht. Spiralnebel, Kosmos, Schöpfung.
Elfriede Fulda hatte ursprünglich den Plan, auch die je drei Seitenfenster rechts und links zu gestalten: So sollte jedem der sieben Wochentage ein Fenster gewidmet sein, zugleich jedem der sieben Tage der Schöpfungsgeschichte des Alten Testamentes. Das Parabelfenster sollte dabei das Fenster des siebenten Tages, das „Sonntagsfenster“ mit der vollendeten Schöpfung sein.
So ist es das wesentliche Schmuckstück der evangelischen Christuskirche in
Forsbach geworden und geblieben.
Dr. Günter Henne, Bergisch Gladbach