Elfriede Fulda
Elfriede Fulda blickt zurück auf eine Schaffensperiode von über 60 Jahren.
Ihr Oeuvre ist sehr umfangreich: Eine Fülle von Zeichnungen, Pastellen, Aquarellen und Arbeiten in anderen diversen Techniken. Sehr viele Arbeiten haben Liebhaber gefunden und sind in öffentliche und private Sammlungen eingegangen.
Es ist nicht leicht, aus diesem umfangreichen Werk eine einzelne Facette herauszusuchen und diese in einer Ausstellung zu zeigen.
Das, was Sie, meine Damen und Herren, heute in dieser 2. Werkstatt-Ausstellung des Ehepaares Posselt zu sehen bekommen, ist wirklich nur ein Sektor aus dem reichen Schaffen dieser Künstlerin, aber – wie ich meine – ein ganz wesentlicher, ein Sektor, der die Künstlerin in den letzten 10 – 20 Jahren ganz besonders beschäftigt und fasziniert hat – der auch mich – und, wie ich hoffe – auch Sie fasziniert : Ich meine damit die Strukturbilder dieser Ausstellung.
Es sind Bilder in Ölfarben. Zugleich werden wasserlösliche Struktur-Acrylfarben verwendet. Außerdem zeigen sie sehr starke und reiche graphische Elemente – Strukturen eben. Und da sie Öl- und wasserlösliche Farben enthalten und ihr sehr spezieller Entstehungsprozess viel mit Wasser zu tun hat, möchte ich sie als „aqua-oleographische Strukturbilder“ bezeichnen.
Elfriede Fulda war immer geradezu besessen von einer großen Lust, mit den Malmaterialien zu experimentieren.
Diese Neugier und Freude am Experiment durchzieht die ganze Biographie der Künstlerin Elfriede Fulda.
Schon als Zehnjährige soll sie immer Bleistift und Papier zum Skizzieren bei sich gehabt haben.
Nach der mittleren Reife im Jahre 1937 war die 16 – 19-Jährige gefesselt von der Werbeabteilung ihrer Ausbildungsfirma, wo sie eine kaufmännische Lehre absolvierte. Daher Besuche von Abendkursen in Aktzeichnen und Werbegraphik, anschließend Studium der Gebrauchsgrafik in der Meisterschule des Handwerks (so hieß damals die spätere Kölner Werkschule). Dann im Jahre 1942 dienstverpflichtet zu den Junkers-Flugzeugwerken in Dessau.
Den Älteren von Ihnen sind die dreimotorige Ju 52 (Tante Ju) oder der Stuka, die Ju 87 und der Bomber Ju 88 noch ein Begriff. Mit dem Zeichnen solcher Kriegsgeräte hatte Elfriede Müller, wie sie damals noch hieß, dort zu tun. Größen des 3.Reiches wie z.B.Hermann Göring schauten ihr wiederholt am Reißbrett zu. E.M. wohnte in Dessau mit ihren Maler- und Zeichnerkollegen in einem Gebäude, das vor der Nazi-Aera einen großen Namen hatte: Das Bauhaus.
Die 21-Jährige machte sich Gedanken darüber, dass sie vielleicht auf einem Stuhl saß, auf dem etwa zehn Jahre zuvor ein Paul Klee, ein Wassilij Kandinski, ein Oskar Schlemmer gesessen hatte.
Sie spürte auch den passiven Widerstand, der in der Konstruktionsabteilung bei den Junkerswerken ausgeübt wurde.
(Übrigens dokumentiert in Carl Zuckmayers „Des Teufels General“)
Man beschränkte sich bei der Entwicklung von Kriegsflugzeugen auf das Minimum und versuchte, sich in der Freizeit und im Grünen mit ordentlichem Malen und Zeichnen zu beschäftigen.
Hier erhielt E.F. ihre ersten künstlerischen Impulse.
Und als man wegen der Zunahme der Bombenangriffe in den Harz evakuiert wurde, kam es dort zu ersten Ausstellungen mit den Malerkollegen in Gernrode, Quedlinburg und Wernigerode.
Rückkehr nach Köln 1945,
Versuch eines Existenzaufbaus als Graphikerin und Malerin.
Mit einer Freundin fährt E.F. zum evangelischen Kirchentag nach Stuttgart. Sie bleibt in Stuttgart, hier nimmt sie ihr Studium an der Kunstakademie auf. Hier heiratet sie. Hier macht sie die Bekanntschaft einer Nachbarin, zu der sich dann eine tiefe Freundschaft entwickelt: Das war Julie Hoelzel, die Schwiegertochter des berühmten Dachauer Malers Adolf Hoelzel. Adolf Hoelzel, Jahrgang 1853, war 1906 als Professor an die Kunst- akademie Stuttgart berufen worden und ist dort 1934 gestorben.
(Die Deutsche Post hat kürzlich eine Adolf Hoelzel–Sondermarke im Wert von einem Euro herausgegeben.)
Hoelzel war einer der ersten abstrakten und gegenstandslosen Maler in Deutschland. Zu seinen Schülern gehörten u. A. Emil Nolde und Oskar Schlemmer. Seine bekannteste Schülerin Ida Kerkovius hat E.F. noch persönlich gekannt.
E.F. lernte in Stuttgart Hoelzels gesamten Nachlass kennen. Mit ihm, mit seinen Schriften, seinen Vorlesungsmanuskripten und seinen Maltheorien hat sie sich intensiv beschäftigt.
Das wurden die stärksten Impulse für ihre weitere künstlerische Tätigkeit. Spuren von Hoelzel´scher Bildauffassung ziehen sich durch ihr gesamtes Werk.
In Stuttgart erhält Frau Fulda ihre ersten Arbeitsaufträge: Farbige Plakate für den Stuttgarter Zoologischen Garten „Wilhelma“ sowie für das Schloß Ludwigsburg und einen ersten Glasfensterauftrag für die evangelische Kirche in Bösingen bei Freudenstadt im Schwarzwald. 1955 kehrt sie nach Köln zurück und wird hier tätig für Verlage. Sie gestaltet Buchumschläge, Titelseiten, Schallplattenhüllen für das Label Elektrola und Illustrationen.
So ließ z.B. der Kölner Stadt-Anzeiger zu Beginn der 60er Jahre seine Titelzeilen von E.F. neu gestalten.Das Kirchenfenster faszinierte die Künstlerin weiterhin. Wichtig war eine Reise nach Chartres.
Es folgten Aufträge für farbige Fenster an fünf evangelischen Kirchen und kirchlichen Instituten in und um Köln. Die Kirche in Forsbach, die Melanchthon-Akademie bei der Kartäuserkirche in der Kölner Südstadt, die Philipp-Nicolai-Kirche in Köln-Mauenheim, die Versöhnungskirche in Köln – Ehrenfeld und die Kapelle des Tagungshauses des evangelischen Kirchenverbandes Köln in Überdorf bei Nümbrecht.
Im Eingangsbereich der heutigen Ausstellung ist ein großer Rahmen mit Fotographien von einigen der Fulda´schen Kirchenfenster in und um Köln zu sehen, dabei auch das Foto eines von ihr entworfenen Wandteppichs, der ebenfalls die Strukturen eines Kirchenfensters zeigt.
Doch zurück zu unseren „aqua-oleographischen Strukturbildern“.
Zu ihrer Entstehung haben drei wichtige Faktoren beigetragen:
1. Zahlreiche und immer längere Aufenthalte in Griechenland.
2. Das ganz anderen Licht des Südens auf dem griechischen Peloponnes, besonders auf der Insel Santorin.
3. Die zufällige Entdeckung eines Trocknungseffektes und seine experimentelle Weiterentwicklung.
Und hierzu einige Erklärungen:
Wenn bei der Vorbereitung eines Bildes der Kleistergrund rasch trocknet, entstehen Unebenheiten, Risse, Stege und Grate. Die Ausbildung dieser Strukturen ist sehr unterschiedlich in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Trocknungsvorganges, von der Temperatur.
Über die so entstandene unregelmäßige Fläche lässt die Künstlerin verdünnte Ölfarben laufen. Die Flüssigkeit sucht sich dann einen Weg durch diese Mikrogebirgslandschaft. Bei diesem Vorgang kann die Künstlerin durch Neigen, Kippen, Schräghalten des Bildes Einfluss nehmen auf die Farbverteilung.
Zufall und Lenkung, Spontanes und Gesteuertes kommen hier zusammen.
Wasserlösliches Strukturacryl wird mit feinen medizinischen Spritzen aufgetragen. Dadurch entstehen Konturen, die sich reliefartig aus der Bildfläche erheben.
So entwickeln sich phantastische Bild-Landschaften und Bild-Räume, manchmal meint man, ein menschliches Profil oder eine Figur zu erkennen, so wie man bisweilen in Wolkengebilden am Sommerhimmel Figuren und Landschaften zu erkennen meint.
Besonders an den äußeren Bereichen der Strukturbilder von Elfriede Fulda, an den Rändern, entstehen Flächenherde und Aufhellungen, die den Bildern einen reizvollen Rahmen geben.
E.F. hat außer diversen Farben auch einfaches Schwarz in verschiedenen Konzentrationen bzw. Verdünnungen benutzt und auf diese Weise die wunderbaren Schwarz-Weiss-Strukturbilder geschaffen, die auch in dieser Ausstellung vertreten sind.
Der englische Maler William Turner hat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die gegenständliche Welt in seinen Bildern bis an die Grenze zur Gegenstandlosigkeit aufgelöst. Elfriede Fulda beschreitet gewissermaßen den umgekehrten Weg: Aus der Gegenstandslosigkeit einer Matrix – eines Kleistergrundes – und zerlaufenden Farben entwickelt sie die Andeutung einer figurativen Welt, einer Gestalt, eines Gesichtes, einer Landschaft. Wenn so das Bild unter den Händen der Künstlerin entsteht, läuft ein Entwicklungs- und Reifungsprozess ab. Er beginnt mit Zufallsprodukten. Der Zufall wird von der Künstlerin behutsam ergriffen, weiterentwickelt, und langsam zu einem Ende gesteuert. So existiert ein permanenter Dialog zwischen der Künstlerin und der Materie, mit der sie arbeitet.
Da entsteht etwas, dem seine Schöpferin eine Seele einhaucht. Der Vergleich mit einer Schwangerschaft bietet sich an, an deren Ende die Geburt des fertigen Kunstwerkes steht. Vielen dieser Kinder hat die Künstlerin einen Namen, einen Titel gegeben, der den Betrachtern den Zugang zum Kunstwerk erleichtern soll.
Von den sehr zahlreichen Schöpfungen dieser Art – den „Kindern“ – der Künstlerin Elfriede Fulda sehen Sie in dieser Ausstellung 79 Strukturbilder. Wenn Sie in der hier stehenden Mappe blättern, können Sie neben weiteren Exemplaren auch eine andere Gattung von „Fulda-Kindern“ -nämlich Zeichnungen – betrachten. Dies ist ein Sujet, das eine eigene Ausstellung verdienen würde. Das gilt auch für die Aquarelle, Pastelle, die Teppiche, die Fenster und noch viele weitere Schöpfungen von Elfriede Fulda. So sehen Sie z.B. hier einen Jahresteller der Porzellanmanufaktur Rosenthal, den E.F. gestaltet hat. Es ist das Verdienst von Heinz und Elvira Posselt, Elfriede Fulda´s Strukturbilder erstmals gesondert in einer Ausstellung zu zeigen. Alle Bilder sind in sorgfältig geschnittenen Passepartouts präsentiert.
Ich wünsche Frau Fulda und ihren hier ausgestellten Werken sowie natürlich auch dem Ehepaar Posselt, dass etliche Bilder nach dieser Ausstellung ihre Dauerbleibe in einem schönen Rahmen finden werden.
Elfriede Fulda ist am 30. Mai 82 Jahre alt geworden. Ihr gilt unser aller Glückwunsch zu ihrem erst zwei Wochen zurückliegenden Geburtstag.